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GESPENSTER DER REPARATION

ANSÄTZE ZU EINER THEORIE HISTORISCHER PHANTASTIK

Zahlreiche literarische Werke, die historische Traumata (insbesondere Sklaverei, der Zweite Weltkrieg, Kolonialisierung) thematisieren, weisen eine übernatürliche Dimension auf. Besessene Figuren, schaurige Orte, Geistererscheinungen – diese Motive, die normalerweise der Schauerliteratur oder der Phantastik zugerechnet werden, finden sich bei so unterschiedlichen Autor:innen wie Maurice Rostand, Gustav Meyrink, Élie Wiesel, Édouard Glissant, Octavia Butler, W. G. Sebald, Toni Morrison, Wu Ming, Ta-Nehisi Coates oder Antoine Volodine. In diesem Projekt wird die Hypothese erprobt, dass Schriftsteller:innen phantastische Motive und Themen nutzen, um Erfahrungen zu beschreiben, die mit „rationalen“ Mitteln nicht dargestellt oder vermittelt werden können. Wiederkehrende Ermordete, Figuren, die von Opfern heimgesucht werden und immer wieder Geister – all dies sind Möglichkeiten, um zu zeigen, dass die Vergangenheit nie wirklich vergangen ist und wir ihr noch etwas schuldig geblieben sind. In diesen Werken materialisiert sich die Geschichte, um die Lebenden daran zu erinnern, dass das, was zerbrochen wurde, noch lange nicht wiederhergestellt ist.

Ziel des Projekts ist es, diesen Spuk der Geschichte und die Möglichkeiten der Fiktion, die Verbindungen von Geschichtsschreibung und Reparation anders zu denken, besser zu verstehen. Außerdem wird eine Theorie der historischen Phantastik entwickelt, die auf Überlegungen von Walter Benjamin, Aby Warburg, Ernst Bloch, Jacques Derrida et Georges Didi-Huberman zurückgreift, die die Idee einer linearen, chronologischen und progressiven Temporalität in Frage stellen. Mit ihnen wird es schließlich möglich, eine Politik des Anachronismus zu denken.

DR. JULIEN JEUSETTE
CURRICULUM VITAE

Julien Jeusette ist wissenschaftlicher Programmleiter für den Bereich Geschichte am Käte Hamburger Kolleg CURE. Nach einer Dissertation in Lettres modernes, die er im Rahmen einer Cotutelle an der Universität Paris Cité und der Universität Luxemburg verteidigte (2017), absolvierte er eine vierjährige Postdoc-Zeit an der Universität Mailand und war anschließend zwei Jahre lang Postdoc an der Luxembourg School of Religion & Society (An-Institut der Universität Bonn). Parallel dazu war er Seminarleiter am Collège International de Philosophie (2022–2023) und Gastdozent an der Universität Lüttich (2022–2024). Er verbrachte Forschungsaufenthalte in Harvard und Yale. Seine Forschungsschwerpunkte liegen an der Schnittstelle von Literaturwissenschaft, Philosophie und Kritischer Theorie.

KONTAKT
julien.jeusette@khk.uni-saarland.de

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