Im Mittelpunkt des Forschungsprogramms des Käte Hamburger Kollegs CURE stehen Fragen von Reparation und Irreparabilität, die in den Projekten der Fellows und des Teams aus verschiedenen Perspektiven untersucht werden.
REPARATION UND IRREPARABILITÄT
Viele Verletzungen und Schädigungen – wie die Zerstörung von Kulturgütern in kolonisierten Gebieten, die durch Kriegserlebnisse erzeugten Traumata oder die Folgen des Klimawandels – können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Solche Verletzungen und ihre Unwiderruflichkeit setzen häufig komplexe Aushandlungsprozesse in Gang, darunter die Veränderung kultureller Identitäten und Welten. Sie werfen die Frage danach auf, wie mit der Erfahrung einer von Gewalt, Unrecht und Zerstörung natürlicher Ressourcen geprägten Vergangenheit eine gemeinsame und lebbare Zukunft geschaffen werden kann. Neben beispielsweise ökonomischen und juristischen Reaktionen ist die Gestaltung einer solchen Zukunft auf kulturelle Praktiken der Reparation angewiesen.
KULTURELLE PRAKTIKEN DER REPARATION
Am Käte Hamburger Kolleg CURE stehen diese kulturellen Praktiken der Reparation im Zentrum der Forschung. Als Reparation bezeichnen wir den Prozess, in dem Wissen eine Zukunft zu gestalten, dass Reparation Schäden aus der Vergangenheit nie vollständig beheben kann: Etwas zu reparieren bedeutet stets, dass Spuren der Zerstörung erhalten bleiben, mehr oder weniger sichtbar, spürbar oder verstehbar. In einer ersten Annäherung umfassen die kulturellen Praktiken der Reparation für uns eine Vielzahl kultureller Reaktionen auf die Wahrnehmung von Beschädigungen: mündliches und schriftliches Erzählen, (Sprach-)Rituale, Musik, wissenschaftliche Praktiken, bildende Kunst, Lyrik, Geschichtsschreibung, Filme, Theater, Ausstellungspraktiken, öffentliche Diskursstile usw. Diese Praktiken versuchen, trotz der Dauerhaftigkeit bestimmter Verletzungen Zukunftsmöglichkeiten und -szenarien zu entwickeln. Das Ziel unseres Kollegs ist es, gemeinsam an theoretischen Zugängen zu diesen Praktiken zu arbeiten.
Wir interessieren uns deshalb dafür, wie die kulturellen und medialen Ausdrucksformen unsere Wahrnehmung der Welt, unsere Selbstentwürfe und Lebensformen verändern können. Und wir fragen danach, wie und inwiefern kulturelle Praktiken zur Reparation beitragen: Welche Mittel findet die bildende Kunst, auf den Verlust natürlicher Lebensräume zu reagieren, und welche gemeinsame Zukunft wird darin sichtbar? Welche Zukünfte für menschliche Selbstbilder formulieren die Wissenschaften? Wie bringt die Literatur Erzählungen eines menschlichen Miteinanders vor dem Hintergrund unüberbrückbarer historischer Konflikte hervor? Wir richten unseren Blick außerdem darauf, wie in diesen kulturellen Praktiken Reparationsprozesse ausgehandelt, erfahrbar gemacht und reflektiert werden: Was wird unter dem Begriff der Reparation jeweils verstanden? Wie verhält sich die Reparation zum Problem der Irreparabilität? Wie treten die kulturellen Praktiken ins Verhältnis zu materieller Reparation?
Auf diese Weise möchten wir in einer globalisierten und beschädigten Welt zu einer Reflexion beitragen, die grundlegend für ein zukünftiges Zusammenleben ist. In historischer, transmedialer und transkultureller Perspektive soll sichtbar werden, welchen Beitrag kulturelle Praktiken zur Konstruktion einer reparativen Zukunft leisten können.
FORSCHUNGSPROGRAMM
Die Fellows und Mitglieder des Käte Hamburger Kollegs CURE nehmen die kulturellen Praktiken der Reparation in drei Forschungsschwerpunkten in den Blick: Geschichte, Erfahrung, Natur. Der Programmbereich Geschichte befasst sich mit Erinnerungspolitiken. Es geht insbesondere darum, wie bestimmte kulturelle Praktiken auf historische Traumata reagieren. Dazu gehören z. B. Kolonisation, Völkermorde, Kriege oder Vergangenheiten, die durch das offizielle kollektive Gedächtnis verdrängt wurden. Für den Bereich Erfahrung stehen Erlebnisse von Verlust und Beschädigung im Mittelpunkt. Gemeint sind damit beispielsweise die physische und psychische Versehrung, die durch das Erleben eines Krieges zustande kommt, oder die Entfremdung, die aus politischer Vertreibung resultiert. Dabei sollen auch neue Formen von Subjektivität und Gemeinschaft untersucht werden. Der Bereich Natur beschäftigt sich mit der Veränderung des Verhältnisses zur Natur und der Wahrnehmung des Verlusts von Sicherheit und Zukunftsperspektiven für die Welt als Lebensraum. Dazu zählen etwa kulturökologische Fragen oder das Hinterfragen des menschlichen Selbstbildes durch neue Informationstechnologien. Zentral für die Forschung in den drei Schwerpunkten ist zugleich aber auch, dass sie eng miteinander in Verbindung treten: Wir suchen nach Perspektiven, in denen Geschichte, Erfahrung und Natur einander begegnen und in denen aus ihrer Überlagerung Zukunftsmöglichkeiten hervorgehen.
In Ergänzung zu den Forschungsschwerpunkten ist die erste Förderphase des Käte Hamburger Kollegs CURE in vier Jahresthemen unterteilt, die unsere Forschung mitgestalten: Theorie (2024/2025), Gesellschaft (2025/2026), Körper (2026/2027) und Dinge (2027/2028).