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Schiffbrüchige Archen: Über die vergängliche Natur von Museen

Museen werden oft als solide, mächtige Strukturen beschrieben, die historische Stabilität und Kontinuität bewahren sollen. Insbesondere Naturkundemuseen wurden metaphorisch zu Hütern der Zukunft der biologischen Diversität stilisiert – sie sollen Zuflucht im Angesicht irreversibler Schäden bieten und ein transzendentales Ziel verkörpern: ein Bild, das im Widerspruch zu ihrer eigenen Vergänglichkeit steht. Dabei sind Museen einer doppelten Bedrohung ausgesetzt: zum einen den natürlichen Prozessen des Zerfalls, zum anderen katastrophalen Ereignissen sowie wechselnden politischen Rahmenbedingungen. Dieses Projekt widmet sich der politischen Dimension und analysiert mehrere Fälle von (fast) vollständiger – wenn auch nicht immer katastrophaler – Zerstörung von Naturkundemuseen und die Prozesse, die unternommen wurden, um die erlittenen Verluste zu bewältigen. Im Zentrum stehen dabei einige paradigmatische Beispiele: erstens, die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg und die anschließende Restaurierung des Naturhistorischen Museums in Hamburg und des Hunterian Museums in London, zweitens, die Auflösung des Australischen Instituts für Anatomie in Canberra, und drittens, der Brand des Museu Nacional in Rio de Janeiro (2018) und die Arbeiten an seinen Ruinen. Das Projekt beleuchtet einige Mechanismen, mit denen bedeutende Objekte in Zeiten tiefgreifender Umbrüche bewahrt werden können – als Teil des menschlichen Versuchs, den Unwägbarkeiten der Geschichte etwas entgegenzusetzen. Es zeigt aber auch, wie in diesem Prozess die Zerstörung sowohl vergessen als auch instrumentalisiert wird, um Kontinuität mit der Vergangenheit wiederherzustellen und die Vorstellung von Beständigkeit zu festigen.

PROF. DR. DR. IRINA PODGORNY
CURRICULUM VITAE

Irina Podgorny ist Forscherin am Nationalen Rat für Wissenschaftliche und Technische Forschungen in Argentinien (CONICET). Sie studierte Archäologie an der Universidad de La Plata und promovierte dort 1994 mit einer Dissertation zur Geschichte der Archäologie und der Museen. Sie war Fellow am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte sowie als Postdoktorandin am Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin und am MAST, Museu de Astronomia, in Rio de Janeiro. Ihr aktuelles Forschungsprojekt beschäftigt sich mit historischem Artensterben, Spinnenseide und zerstörten Museen. Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit schreibt sie regelmäßig für argentinische Kulturzeitschriften und arbeitet mit lateinamerikanischen Künstler:innen zusammen. Sie ist Fellow der Alexander von Humboldt-Stiftung und Trägerin des Georg Forster-Forschungspreises. Seit 2003 ist sie Mitglied des Herausgeber:innengremiums der Zeitschrift Science in Context und seit 2017 von History of Humanities.