Am 1. Dezember 2025 fand anlässlich des fünften Geburtstages der Kulturzeitschrift und Jahresschrift des Käte Hamburger Kollegs für kulturelle Praktiken der Reparation (CURE) Rhinozeros. Europa im Übergang eine öffentliche Feier im Saarländischen Künstlerhaus in Saarbrücken statt.
Moderiert vom Schriftsteller und Beisitzer des Künstlerhauses, Klaus Behringer, sprachen die drei Herausgeber:innen Franck Hofmann, Markus Messling und Christiane Solte-Gresser, der Verleger des renommierten Publikumsverlags Matthes & Seitz Berlin, Andreas Rötzer, die Redakteurin der Zeitschrift, Azyza Deiab sowie die mehrfach mit dem Deutschen Preis für politische Karikatur ausgezeichnete Professorin für Illustration, Friederike Groß, über Geschichte und Idee der Zeitschrift:
Warum fiel die Entscheidung ausgerechnet auf das Rhinozeros als Emblem der Jahresschrift? Was kennzeichnet die gesellschaftliche Stellung von Kulturzeitschriften heute, die sich als Printmedium dem digitalen Zeitgeist zu widersetzen scheinen? Wie erfolgt die jährliche Bestimmung der Themen sowie die anschließende Auswahl der Beiträge? Und was macht den vor Kurzem erschienenen fünften Band der Zeitschrift zum Thema „lügen“ gesellschaftspolitisch so aktuell?

Foto: Oliver Dietze

Illustration: Friederike Groß
So wurde in den Gesprächen das Rhinozeros – mit Bezug auf Fellinis Film „Das Schiff der Träume“ – als tropisches Tier, als Symbol der Macht und des Verlusts, als Emblem eines sich im Übergang befindlichen Europascharakterisiert, das seine Bezüge zur Welt neu reflektieren und strukturieren muss. Neben Entprovinzialisierung der deutschen Debatten durch Übersetzung war ein weiterer Gründungsimpuls von Rhinozeros die Überzeugung, dass erstarkenden nationalistischen und rechtsidentitären Politiken auch durch kulturtheoretische und literarisch-künstlerische Reflektion und Zeitanalyse begegnet werden muss. Als eine engagierte Zeitschrift ist Rhinozeros von Beginn an gekennzeichnet durch Widerständigkeit im doppelten Sinne: Mit seinem Verleger teilt Rhinozeros die tiefe Überzeugung, dass das gedruckte Buch im Zeichen des Digitalen weiterhin eine Zukunft als schwerer kontrollierbares Medium besitzt und ein Diskursraum für differenzierte Positionen und Auseinandersetzungen mit der Gegenwart bleibt. Zweitens setzt Rhinozeros – im Sinne einer Stärkung intellektueller Reflektion und demokratischer Öffentlichkeit – gerade auch durch internationale Vielstimmigkeit und in der Konstellation unterschiedlichster Formate der Text- und Bildkulturen – auf die Kraft eines räsonierenden Denkens und theoretische Tiefe, die mit Blick auf die Polarisierung der öffentlichen Debatte und die Angriffe auf faktenbasierte Argumentation, gerade in den digitalen Diskurswelten, unverzichtbar sind.
In diese Grundgedanken schreibt sich nach vier Bänden zu den Themen reparieren, besitzen, träumen und wohnen auch die aktuelle Ausgabe ein, die dem Verb lügen gewidmet ist: War die Lüge zwar von jeher Teil des Politischen, so stehen demokratische Gesellschaften zurzeit vor der Herausforderung, einen Raum zu erhalten für das Ringen um die Frage nach dem besseren Argument, für die Suche nach Wahrhaftigkeit, kurz: für eine geteilte Öffentlichkeit, die Zusammenleben erst ermöglicht. Wie lässt sich die Res publica gegen die Verdrehung der Wirklichkeit verteidigen?

Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze
Die Herausgeber:innen präsentierten die Bandbreite des neuen Hefts durch kurze Einführungen in ausgewählte Beiträge. Neben Essay, Prosa und Architekturfotografie trat auch die Kraft der Stimme: Die Hörbuchsprecherin Nelia Dorscheid trug Gedichte Herta Müllers vor und brachte die im Buch abgedruckten Collagen zum Klingen. Friederike Groß, denen die Zeitschrift ihre thematischen Rhinozerosse und die Kraft kritischer Ironie verdankt, begleitete die Podiumsdiskussion mit Live-Zeichnungen der Szenen und Akteure des Abends. Ihre Frage danach, inwiefern Zeichnungen lügen können und ob das Ringen um Wahrheit Teil der politischen Karikatur ist, nahm das Publikum mit zur Geburtstagstorte und einem kleinen Fest, das den Rahmen für Gespräche über Europa im Übergang und sein tropisches Emblem bildete.

Illustration: Friederike Groß

Foto: Oliver Dietze

Illustration: Friederike Groß
Rhinozeros. Europa im Übergang präsentiert Texte und Bilder einer historisch bewussten Gegenwartsdiagnostik. Das Anliegen der Zeitschrift ist es, die weltweiten und vielfältigen Diskussionen über Reparationen ins Gespräch mit der deutschen Gesellschaft zu bringen und so der Herausforderung zu begegnen, die europäischen Weltbezüge neu zu gestalten.
Wie das Käte Hamburger Kolleg zielt auch Rhinozeros auf Internationalisierung, Übersetzung und Öffnung zur Welt. Im Zeichen eines Verbs, eines Tuns, versammelt die Zeitschrift wissenschaftliche und künstlerische Stimmen aus dem Kolleg und weit darüber hinaus.
»Intellektuell, frech, nicht erwartbar.«
– Isabell Schirra, Saarbrücker Zeitung
»Rhinozeros gibt dem komplexen Gedanken Raum und Zeit. Unverzichtbar in diesen politisch wie ökologisch dramatischen Zeiten.«
– Tilla Fuchs, Saarländischer Rundfunk
»Auslegen, erinnern, gedenken, wachhalten, abbilden, nachzeichnen, verdichten, träumen, schreiben, erzählen – kleine Geschichten, große Träume.«
– Kianush Ruf, Komparatistik. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Herausgeber:innen: Franck Hofmann, Komparatist und Kulturhistoriker, Universität des Saarlandes, Markus Messling, Professor für Romanische und Allgemeine Literatur- und Kulturwissenschaft und Direktor des Käte Hamburger Kollegs für kulturelle Praktiken der Reparation CURE, Christiane Solte-Gresser, Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Direktorin des Käte Hamburger Kollegs für kulturelle Praktiken der Reparation CURE.
Mehr zu Rhinozeros. Europa im Übergang finden Sie hier.

Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze
