„Geh, bau dir woanders ein Leben auf und komm nicht zurück“ (Va vivre ailleurs et ne reviens plus): In Kossi Efouis autobiographischem Roman Une magie ordinaire (2023) sind das die Worte der Mutter, die ihren Sohn im Angesicht der politischen Bedrohung zur Flucht aus Togo auffordert. Beide sind konfrontiert mit Erfahrungen des Irreparablen, Erfahrungen von Flucht, kolonial erzeugter Sprachlosigkeit und politischer Repression. Und beide verbindet die Entschlossenheit, diesen choses dures ein künstlerisches Schaffen entgegenstellen. Das Medium der Mutter ist der Gesang, das des Sohns der literarische Text.

Kossi Efoui, der seit seiner Flucht im französischen Exil lebt, ist im Winter 2024/25 als CURE-Artist in Residence am Kolleg zu Gast. Über Une magie ordinaire und über das Vermögen von Sprache und Stimme hat er am 29. Januar im Rahmen einer öffentlichen Lesung im Saarbrücker Filmhaus gesprochen. Mit ihm diskutierten Elara Bertho (CNRS, CURE-Fellow 2024), CURE-Programmleiterin Hannah Steurer und etwa 40 Besucher:innen der Veranstaltung, die Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung THE TRUE SIZE OF AFRICA im Weltkulturerbe Völklinger Hütte war. Auch Une magie ordinaire ist eine Auseinandersetzung mit der true size von Kulturräumen, die von kolonial gesetzten Grenzen zerschnitten werden. In einer Neukartierung erzählt der Roman in der Geschichte von Mutter und Sohn gegen diese Grenzen an, auch im Dialog des Schriftstellers mit seinen Kindern. Ihre Fragen nach Genealogie und Geschichte geben dem Text seinen Rhythmus. Und die Magie ordinaire des Romantitels wird, wie Kossi Efoui in der Diskussion im Filmhaus betont hat, zur Formel einer poetischen Perspektive auf die Welt. Die Alltagserfahrungen der choses dures sind dabei Ausgangspunkt und Beweggrund des literarischen Schreibens.

An den Abend im Filmhaus anknüpfend stellten Kossi Efoui und CURE-Fellow Andrea Allerkamp in der Working Group am 30. Januar Ausschnitte aus Une magie ordinaire und Solo d’un revenant (2008) in den Mittelpunkt, die sie gemeinsam mit CURE-Übersetzer Michael Thomas Taylor vorbereitet hatten. Zentral für die Auseinandersetzung mit den Ausschnitten war vor allem die Frage, wie Musikalität und Rhythmus als reparative Schreibstrategien funktionieren. Ihre performative Kraft ist in der Arbeitsgruppe gleich doppelt unter Beweis gestellt worden – in den Romanausschnitten und in der dialogisch-szenischen Lektüre, die geschriebene Sprache und Gesang simultan hörbar gemacht hat.

Über Erzähltexte und Theaterstücke als kulturelle Praktiken der Reparation tauscht sich Kossi Efoui im Februar auch mit Schüler:innen der Oberstufe aus – und ist beim Saarländischen Rundfunk im Radio zu hören: Am 19. Februar war er der Gesprächspartner von Tilla Fuchs in der Sendung Literatur im Gespräch.
Das Gespräch ist in voller Länge auf der Website der ARD Audiothek verfügbar: https://www.ardaudiothek.de/episode/literatur-im-gespraech/literatur-im-gespraech-mit-kossi-efoui/sr-kultur/14190651/

Lesung: Une magie ordinaire © KHK CURE – Clara Vater
Arbeitsgruppe © KHK CURE – Hannah Steurer

© Saarländischer Rundfunk