Das Projekt untersucht die Darstellung der sozio- und sicherheitspolitischen Unruhen in Haiti in Kunstwerken, die in der 277. Ausstellung im Centre d’art von Port-au-Prince gezeigt wurden. Diese Fallstudie soll als Beispiel für kulturelle Reparation dienen, indem sie sich auf das von Édouard Glissant entwickelte Konzept der Relation stützt, mit dem sich die Beziehungen und Vorstellungswelten von verschiedenen Völkern neu definieren lassen. Mithilfe eines interpretativen Ansatzes, der ikonografische und ikonologische, diachrone und synchrone Analysen miteinander verknüpft, wird untersucht, wie die ausgewählten Kunstwerke die Bandengewalt, die nicht nur in Haiti Chaos stiftet und Leid verursacht, darstellen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Frage, wie die Kunstwerke Bwa Kale (eine Bürgerbewegung, die sich gegen die Bandengewalt zu Wehr setzt) imitieren und wie sie die verschiedenen Akteure in der aktuellen Sicherheitskrise abbilden. Für diese Analyse werden die Werke zusammen mit verschiedenen Medien wie literarischen Texten, digitaler Kunst und Videos von Influencer:innen betrachtet. Ziel des Projekts ist es, die Auswirkungen der Unruhen auf das Land und seine Einwohner:innen zu erfassen und zu bestimmen, ob Kunst das durch die Bandengewalt entstandene Leid lindern und etwas zu Initiativen im Bereich der Reparation und des sozialen Wiederaufbaus in einem sich in der Systemkrise befindlichen Land, das von historischem Leid gezeichnet und geopolitischen Zwängen unterlegen ist, beitragen kann.
PROF. DR. JEAN HÉRALD LEGAGNEUR
CURRICULUM VITAE
Jean Hérald Legagneur ist seit 2008 Professor für Kunstgeschichte und Mythologie an der Staatlichen Universität von Haiti. Seine Forschung konzentriert sich auf die französischsprachigen Literaturen und die bildenden Künste aus Haiti und der Karibik, mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Erhaltung kulturellen Erbes, Identitätsfragen und Cultural Studies. Er promovierte in Literatur an der Universität von Virginia, hat einen Master in Philosophie und Zeitgenössischer Kulturkritik von der Universität Paris VIII und studierte Moderne Literatur an der Staatlichen Universität von Haiti. Von 2017 bis 2021 war er Assistant Professor in Französisch und African American Studies der Universität von Virginia. 2021 beaufsichtigte er den Transfer der Sammlungen des Musée d’Art Haïtien in das Centre d’art von Port-au-Prince. 2023 wurde er in die Jury für das Förderprogramm für bildende Künste des Centre d’art berufen. Im Rahmen seiner Fellowship am KHK CURE arbeitet er daran, eine Theorie der kulturellen Reparation zu entwickeln, die sich auf die Analyse von Kunstwerken der 277. Ausstellung im Centre d’art stützt, und beschreibt, wie diese die Folgen der Bandengewalt widerspiegeln.
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