Rhinozeros. Europa im Übergang ist die Jahresschrift des Käte Hamburger Kollegs für kulturelle Praktiken der Reparation. Sie präsentiert Texte und Bilder einer historisch bewussten Gegenwartsdiagnostik. Ihr Anliegen ist es, die weltweiten und vielfältigen Diskussionen über Reparationen ins Gespräch mit der deutschen Gesellschaft zu bringen und so der Herausforderung zu begegnen, die europäischen Weltbezüge neu zu gestalten. Wie das Käte Hamburger Kolleg zielt auch Rhinozeros auf Internationalisierung, Übersetzung und Öffnung zur Welt. Im Zeichen eines Verbs, eines Tuns, versammelt die Zeitschrift wissenschaftliche und künstlerische Stimmen aus dem Kolleg und weit darüber hinaus.
Das Rhinozeros ist gewiss ein merkwürdiges Mitglied der Weltgemeinschaft des Lebendigen: dickhäutig und widerständig, wohlgenährt und standsicher könnte es zuversichtlich in die Zukunft blicken. Aber das ist es nun gerade: Seine Sicht ist extrem eingeschränkt. Daher seine Reizbarkeit. Das Nashorn ist ein Emblem Europas. Seit der Antike war es mit imperialer Macht verbunden: als Wappentier, kostbares Geschenk unter Potentaten und Zentrum von Schaulust. Doch Horn und Panzerung, Relikte eines Urviechs, sind ein schweres Erbe. Sie verleihen keine Gewissheit mehr. Als Scheinriese sucht das Rhinozeros seinen Platz in der Gegenwart. Es wird Gewicht abgeben und sich neu im Zusammenleben bewähren müssen. Sein sensibles Ohr nah an den Zeitläuften zu haben, darauf kommt es an. Denn auf dem allzeit brüchigen Boden der Geschichte stellt sich die Frage: Unter welchen Bedingungen kann ein halbblinder Mehrtonner den Übergang wagen?
Rhinozeros. Europa im Übergang 1 | reparieren
Herausgegeben von Priya Basil | Franck Hofmann | Teresa Koloma Beck | Markus Messling
Wie das Zusammenleben in einer geteilten Welt gestalten, ohne zuvor nach der beschädigten zu fragen?
Das Rhinozeros zählt zu den am stärksten bedrohten Arten der Erde. Damit ist es aber nicht allein. Neben den einem existenziellen Risiko ausgesetzten diversen Tier- und Pflanzenarten ist auch das menschliche (Zusammen-)Leben selbst gefährdet. So verwundert es nicht, dass Bedrohungsszenarien und Verlustängste Denken und Handeln immer stärker beeinflussen. Sie verändern unsere Vorstellungen von der Welt und unseren Platz in ihr und stellen das Fortschrittsversprechen infrage. Die Dialektik der Moderne bleibt die große Herausforderung. Rhinozeros fragt: Was steht auf dem Spiel? Wie begegnen wir den Gefährdungen? Um diese Themen überhaupt verhandeln zu können, bedarf es Formen offenen und zugewandten Austauschs.
Vom Nashorn. Editorial (Auszug)
Mit Beiträgen von Souleymane Bachir Diagne, Albert Gouaffo, Friederike Groß, Wolfgang Kaleck, Mona Kriegler, Marcel Lepper, Lina Meruane, Kristin Platt, Cord Riechelmann, Carena Schlewitt, Adania Shibli, Shashi Tharoor, Camille de Toledo, Maria Tumarkin und Jeffrey Yang.